Alltag im Lockdown

Mit dem Herbst kam der zweite Lockdown

Der Herbst kam unaufhaltsam näher. Meine ersten Regeneinsätze hatte ich hinter mir und Corona meldete sich im großen Stil zurück. Was über den Sommer schon fast in Vergessenheit geraten war, stand plötzlich wieder vor der Tür. Als Kurier·innen sind wir nicht unmittelbar vom Lockdown betroffen und dürfen weiter unserem Dienst nachgehen. Was insgesamt auch logisch ist, denn Kurier·innen werden jetzt mehr gebraucht denn je. Dennoch kamen wir nicht umhin uns, ob der Hygiene- und Abstandsvorschriften in zwei Teams („Gelb und Grün“) aufzuteilen. Die Straßen, Gassen und Einkaufsmeilen wurden wieder schlagartig leer und unsere Aufträge häuften sich.

Irgendein Tag in einer völlig verrückten Zeit

Die Pandemie hat entgegen vieler Darstellungen von gechillter Kurzarbeiter und Homeoffice unsere Aufstehzeit nicht wirklich verändert. Der Wecker klingelt pünktlich um 06:00 Uhr, heute ist wieder Kampftag.
Heute fährt Team grün – ich fahre für Team grün! Es fühlt sich gut an – ich bin fit. Aber zunächst wartet der nun fest eingeschliffene Alltag mit Homeoffice parallel zum Homeschooling, ab mittags dann Fahrradkurier. Ok, ich ordne gedanklich den Tag und teile wie folgt ein: 08:00 -12:00 Uhr versuche ich für DIAMIR das Nötigste von zu Hause zu bewerkstelligen. Vielleicht kann ich einige drückende Anfragen und E-Mails bis Mittag abarbeiten. Auf meine beiden Schulkinder Anusha und Janosch (10 und 12 Jahre) kann ich mich richtig gut verlassen. Dort läuft es mit den Hausaufgaben an sich ohne viel des Nachsteuerns. Darüber sind meine Frau, die zum Glück Vollzeit arbeitet, und ich sehr dankbar. Mit Pausen bleiben mir bis zum Mittag gute drei Stunden Arbeitszeit für meine Hauptberufung. So richtig große Dinge dafür anzufangen, fällt mir schwer – denn mit tickender Uhr im Rücken kann ich in kein Thema wirklich eintauchen und bin genervt. Auch fehlen mir wegen der tiefen Depression im Tourismus die zündende Inspiration bzw. die gewisse Idee für´s kreative Zusammenbauen von Reisen. Ein Blick nach draußen und auf´s Thermometer. Es ist nasskalt und ich habe heute noch vier bis fünf Stunden im Sattel abzureißen, je nach Auftragslage. Klamotten, Kurierutensilien und Notproviant für diesen Einsatz leg ich mir schon in der Pause zurecht. Ich möchte nichts dem Zufall überlassen und gut vorbereitet sein. Bei jedem Einsatz schwingt große Verantwortung mit.
Eine Stunde vor Dienstbeginn rufe ich in der Zentrale an, um anzufragen, wie sich heute die Auftragslage gestaltet. Insgeheim hoffe ich, dass mir Ferdinand (meine Disposition für heute) eine Langstrecke zurechtgelegt hat. Er weiß, dass ich gern in die Außenbezirke fahre.
Nebenbei koche ich ein schnelles Mittagessen für uns drei Heimarbeiter zusammen. Es muss heute was geben, was zügig und ohne großen Aufwand zubereitet ist. In Eile schlinge ich meine Portion hinunter. Der Nachmittag ist mit Anusha und Janosch besprochen – ich muss mich darauf verlassen können, dass alles klappt wenn ich unterwegs bin. Ein paar Stunden sind sie nun auf sich allein gestellt, aber der Fahrplan ist klar.

Im Einsatz

Wir Kuriere und Kurierinnen von ImNu transportieren viele medizinische Güter aus Praxen und Laboren. Heute kann ich gleich in der benachbarten Uniklinik mit dem Dienst beginnen und erste Abholungen vornehmen. Das Wetter scheint zu halten. Eine steife Brise liegt an – naja, geschenkt bekomme ich nichts. Als ich in die Pedale trete, atme ich befreit durch – endlich den Kopf mal so richtig durchlüften. Es läuft gut an – es herrscht keine Hektik, meine Runde scheint gut geplant. Ich kann es halbwegs genießen, wenngleich mich Ferdinand ganz schön durch die Botanik schickt. Zeit zum Träumen hab ich jedoch nicht. Es geht gegen 18 Uhr – endlich mal Zeit für ‘nen Apfel oder ein Stück Schokolade – langsam greifen die Kilometer. Einmal musste ich sogar ein Energy-Gel drücken, so fertig war ich. Kommt schonmal vor, wenn Termindruck herrscht, wir schneller als schnell fahren müssen und einmal mehr die Hausnummer nicht zu finden war und ich ewig schwitzend suchen musste.
Heute verabschiede ich mich gleich aus der Ferne beim Disponenten. Die übrigen Quittungen nehme ich übermorgen mit – da ist wieder „Grüner Tag“ und ein neuer Einsatz. Glücklich über getane körperliche Arbeit, selig ausgepowert zu sein und stolz aus eigener Kraft Dinge bewegt zu haben biege ich noch schnell zur Tanke ein. Das kühle Bier lasse ich mir in der Badewanne schmecken. Wunderbar.

Stefan Hilger (#476)

 

Radkurier bei ImNu – mehr als nur ein Nebenjob

Im Spätsommer heuerte ich beim ImNu Kurierkollektiv als Fahrer an. Schon immer konnte ich mir das als Nebentätigkeit vorstellen, doch hatte ich nie Zeit dafür übrig. Das Schöne an unserem Laden ist, dass alle Fahrer·innen in selbstständiger Position agieren und alle Entscheidung gemeinsam getroffen werden. Jeder hat quasi ab dem ersten Kilometer volle Verantwortung und volles Mitspracherecht, und jeder muss sich selbst um seine Organisation kümmern. Und wir machen das eigentlich nicht zum Geldverdienen – wir fahren aus reiner Passion zur Bewegung auf zwei Rädern und der Liebe zur Umwelt. Wir sind ein bunter Haufen aus allen möglichen Branchen. Ob Studierende, Grafikdesigner·innen, Lehrer·innen, Architekt·innen, Ingenieur·innen, wir alle teilen die gleiche Leidenschaft.

Aller Anfang ist schwer, logisch. Mir wurde sehr schnell bewusst, dass ich zwar schon ewig in Dresden wohne, aber noch längst nicht jede Ecke kenne, vor allem die Straßennamen nicht. Anfangs habe ich ganz schön viel Zeit mit Sucherei verplempert und auch manchmal ganz schön geschwitzt, um verlorene Zeit wieder rauszufahren. Mittlerweile bin ich routiniert und kann befreiter loslegen.

Mit dem Herbst kam der zweite Lockdown

Der Herbst kam unaufhaltsam näher. Meine ersten Regeneinsätze hatte ich hinter mir und Corona meldete sich im großen Stil zurück. Was über den Sommer schon fast in Vergessenheit geraten war, stand plötzlich wieder vor der Tür. Als Kurier·innen sind wir nicht unmittelbar vom Lockdown betroffen und dürfen weiter unserem Dienst nachgehen. Was insgesamt auch logisch ist, denn Kurier·innen werden jetzt mehr gebraucht denn je. Dennoch kamen wir nicht umhin uns, ob der Hygiene- und Abstandsvorschriften in zwei Teams („Gelb und Grün“) aufzuteilen. Die Straßen, Gassen und Einkaufsmeilen wurden wieder schlagartig leer und unsere Aufträge häuften sich.

Irgendein Tag in einer völlig verrückten Zeit

Die Pandemie hat entgegen vieler Darstellungen von gechillter Kurzarbeiter und Homeoffice unsere Aufstehzeit nicht wirklich verändert. Der Wecker klingelt pünktlich um 06:00 Uhr, heute ist wieder Kampftag.
Heute fährt Team grün – ich fahre für Team grün! Es fühlt sich gut an – ich bin fit. Aber zunächst wartet der nun fest eingeschliffene Alltag mit Homeoffice parallel zum Homeschooling, ab mittags dann Fahrradkurier. Ok, ich ordne gedanklich den Tag und teile wie folgt ein: 08:00 -12:00 Uhr versuche ich für DIAMIR das Nötigste von zu Hause zu bewerkstelligen. Vielleicht kann ich einige drückende Anfragen und E-Mails bis Mittag abarbeiten. Auf meine beiden Schulkinder Anusha und Janosch (10 und 12 Jahre) kann ich mich richtig gut verlassen. Dort läuft es mit den Hausaufgaben an sich ohne viel des Nachsteuerns. Darüber sind meine Frau, die zum Glück Vollzeit arbeitet, und ich sehr dankbar. Mit Pausen bleiben mir bis zum Mittag gute drei Stunden Arbeitszeit für meine Hauptberufung. So richtig große Dinge dafür anzufangen, fällt mir schwer – denn mit tickender Uhr im Rücken kann ich in kein Thema wirklich eintauchen und bin genervt. Auch fehlen mir wegen der tiefen Depression im Tourismus die zündende Inspiration bzw. die gewisse Idee für´s kreative Zusammenbauen von Reisen. Ein Blick nach draußen und auf´s Thermometer. Es ist nasskalt und ich habe heute noch vier bis fünf Stunden im Sattel abzureißen, je nach Auftragslage. Klamotten, Kurierutensilien und Notproviant für diesen Einsatz leg ich mir schon in der Pause zurecht. Ich möchte nichts dem Zufall überlassen und gut vorbereitet sein. Bei jedem Einsatz schwingt große Verantwortung mit.
Eine Stunde vor Dienstbeginn rufe ich in der Zentrale an, um anzufragen, wie sich heute die Auftragslage gestaltet. Insgeheim hoffe ich, dass mir Ferdinand (meine Disposition für heute) eine Langstrecke zurechtgelegt hat. Er weiß, dass ich gern in die Außenbezirke fahre.
Nebenbei koche ich ein schnelles Mittagessen für uns drei Heimarbeiter zusammen. Es muss heute was geben, was zügig und ohne großen Aufwand zubereitet ist. In Eile schlinge ich meine Portion hinunter. Der Nachmittag ist mit Anusha und Janosch besprochen – ich muss mich darauf verlassen können, dass alles klappt wenn ich unterwegs bin. Ein paar Stunden sind sie nun auf sich allein gestellt, aber der Fahrplan ist klar.

Im Einsatz

Wir Kuriere und Kurierinnen von ImNu transportieren viele medizinische Güter aus Praxen und Laboren. Heute kann ich gleich in der benachbarten Uniklinik mit dem Dienst beginnen und erste Abholungen vornehmen. Das Wetter scheint zu halten. Eine steife Brise liegt an – naja, geschenkt bekomme ich nichts. Als ich in die Pedale trete, atme ich befreit durch – endlich den Kopf mal so richtig durchlüften. Es läuft gut an – es herrscht keine Hektik, meine Runde scheint gut geplant. Ich kann es halbwegs genießen, wenngleich mich Ferdinand ganz schön durch die Botanik schickt. Zeit zum Träumen hab ich jedoch nicht. Es geht gegen 18 Uhr – endlich mal Zeit für ‘nen Apfel oder ein Stück Schokolade – langsam greifen die Kilometer. Einmal musste ich sogar ein Energy-Gel drücken, so fertig war ich. Kommt schonmal vor, wenn Termindruck herrscht, wir schneller als schnell fahren müssen und einmal mehr die Hausnummer nicht zu finden war und ich ewig schwitzend suchen musste.
Heute verabschiede ich mich gleich aus der Ferne beim Disponenten. Die übrigen Quittungen nehme ich übermorgen mit – da ist wieder „Grüner Tag“ und ein neuer Einsatz. Glücklich über getane körperliche Arbeit, selig ausgepowert zu sein und stolz aus eigener Kraft Dinge bewegt zu haben biege ich noch schnell zur Tanke ein. Das kühle Bier lasse ich mir in der Badewanne schmecken. Wunderbar.

Stefan Hilger (#476)

 

Neben Homeoffice und Homeschooling als Fahrradkurier durch Dresden preschen –
Ein Erfahrungsbericht

Die Pandemie zwingt zum Umdenken

Jetzt stecken wir schon fast ein Jahr in der Covid19-Pandemie und momentan wieder im verschärften Lockdown fest. Wie lange geht das noch so weiter?
Im normalen Leben würde ich jetzt mitten in der Buchungs-Hauptsaison für Abenteuer- und Erlebnisreisen bei meiner eigentlichen Berufung als Produktmanager bei DIAMIR-Erlebnisreisen stecken. Ich würde über ambitionierte Touren sinnieren oder Expeditionen in entlegene Winkel der Erde organisieren. Vor gut einem Jahr noch sind wir mit den Mountainbikes über den Pamir geradelt. Und jetzt? Tourismus, ob lokal oder weltweit, ist weitestgehend lahmgelegt und das zieht sich nun schon fast ein ganzes Jahr dahin. Der Alltag heute ist ein völlig anderer – bis wir Normalität wiedererlangen, wird noch ein gutes Stück Weg zu gehen und Durchhaltevermögen gefordert sein. Um nicht selbst auch noch eine mentale Krise zu bekommen, habe ich mich etwas in der Stadt nach alternativen Tätigkeiten umgeschaut. Ich musste etwas tun. Leerlauf und Abwarten passen nicht zu mir!

Radkurier bei ImNu – mehr als nur ein Nebenjob

Im Spätsommer heuerte ich beim ImNu Kurierkollektiv als Fahrer an. Schon immer konnte ich mir das als Nebentätigkeit vorstellen, doch hatte ich nie Zeit dafür übrig. Das Schöne an unserem Laden ist, dass alle Fahrer·innen in selbstständiger Position agieren und alle Entscheidung gemeinsam getroffen werden. Jeder hat quasi ab dem ersten Kilometer volle Verantwortung und volles Mitspracherecht, und jeder muss sich selbst um seine Organisation kümmern. Und wir machen das eigentlich nicht zum Geldverdienen – wir fahren aus reiner Passion zur Bewegung auf zwei Rädern und der Liebe zur Umwelt. Wir sind ein bunter Haufen aus allen möglichen Branchen. Ob Studierende, Grafikdesigner·innen, Lehrer·innen, Architekt·innen, Ingenieur·innen, wir alle teilen die gleiche Leidenschaft.

Aller Anfang ist schwer, logisch. Mir wurde sehr schnell bewusst, dass ich zwar schon ewig in Dresden wohne, aber noch längst nicht jede Ecke kenne, vor allem die Straßennamen nicht. Anfangs habe ich ganz schön viel Zeit mit Sucherei verplempert und auch manchmal ganz schön geschwitzt, um verlorene Zeit wieder rauszufahren. Mittlerweile bin ich routiniert und kann befreiter loslegen.

Mit dem Herbst kam der zweite Lockdown

Der Herbst kam unaufhaltsam näher. Meine ersten Regeneinsätze hatte ich hinter mir und Corona meldete sich im großen Stil zurück. Was über den Sommer schon fast in Vergessenheit geraten war, stand plötzlich wieder vor der Tür. Als Kurier·innen sind wir nicht unmittelbar vom Lockdown betroffen und dürfen weiter unserem Dienst nachgehen. Was insgesamt auch logisch ist, denn Kurier·innen werden jetzt mehr gebraucht denn je. Dennoch kamen wir nicht umhin uns, ob der Hygiene- und Abstandsvorschriften in zwei Teams („Gelb und Grün“) aufzuteilen. Die Straßen, Gassen und Einkaufsmeilen wurden wieder schlagartig leer und unsere Aufträge häuften sich.

Irgendein Tag in einer völlig verrückten Zeit

Die Pandemie hat entgegen vieler Darstellungen von gechillter Kurzarbeiter und Homeoffice unsere Aufstehzeit nicht wirklich verändert. Der Wecker klingelt pünktlich um 06:00 Uhr, heute ist wieder Kampftag.
Heute fährt Team grün – ich fahre für Team grün! Es fühlt sich gut an – ich bin fit. Aber zunächst wartet der nun fest eingeschliffene Alltag mit Homeoffice parallel zum Homeschooling, ab mittags dann Fahrradkurier. Ok, ich ordne gedanklich den Tag und teile wie folgt ein: 08:00 -12:00 Uhr versuche ich für DIAMIR das Nötigste von zu Hause zu bewerkstelligen. Vielleicht kann ich einige drückende Anfragen und E-Mails bis Mittag abarbeiten. Auf meine beiden Schulkinder Anusha und Janosch (10 und 12 Jahre) kann ich mich richtig gut verlassen. Dort läuft es mit den Hausaufgaben an sich ohne viel des Nachsteuerns. Darüber sind meine Frau, die zum Glück Vollzeit arbeitet, und ich sehr dankbar. Mit Pausen bleiben mir bis zum Mittag gute drei Stunden Arbeitszeit für meine Hauptberufung. So richtig große Dinge dafür anzufangen, fällt mir schwer – denn mit tickender Uhr im Rücken kann ich in kein Thema wirklich eintauchen und bin genervt. Auch fehlen mir wegen der tiefen Depression im Tourismus die zündende Inspiration bzw. die gewisse Idee für´s kreative Zusammenbauen von Reisen. Ein Blick nach draußen und auf´s Thermometer. Es ist nasskalt und ich habe heute noch vier bis fünf Stunden im Sattel abzureißen, je nach Auftragslage. Klamotten, Kurierutensilien und Notproviant für diesen Einsatz leg ich mir schon in der Pause zurecht. Ich möchte nichts dem Zufall überlassen und gut vorbereitet sein. Bei jedem Einsatz schwingt große Verantwortung mit.
Eine Stunde vor Dienstbeginn rufe ich in der Zentrale an, um anzufragen, wie sich heute die Auftragslage gestaltet. Insgeheim hoffe ich, dass mir Ferdinand (meine Disposition für heute) eine Langstrecke zurechtgelegt hat. Er weiß, dass ich gern in die Außenbezirke fahre.
Nebenbei koche ich ein schnelles Mittagessen für uns drei Heimarbeiter zusammen. Es muss heute was geben, was zügig und ohne großen Aufwand zubereitet ist. In Eile schlinge ich meine Portion hinunter. Der Nachmittag ist mit Anusha und Janosch besprochen – ich muss mich darauf verlassen können, dass alles klappt wenn ich unterwegs bin. Ein paar Stunden sind sie nun auf sich allein gestellt, aber der Fahrplan ist klar.

Im Einsatz

Wir Kuriere und Kurierinnen von ImNu transportieren viele medizinische Güter aus Praxen und Laboren. Heute kann ich gleich in der benachbarten Uniklinik mit dem Dienst beginnen und erste Abholungen vornehmen. Das Wetter scheint zu halten. Eine steife Brise liegt an – naja, geschenkt bekomme ich nichts. Als ich in die Pedale trete, atme ich befreit durch – endlich den Kopf mal so richtig durchlüften. Es läuft gut an – es herrscht keine Hektik, meine Runde scheint gut geplant. Ich kann es halbwegs genießen, wenngleich mich Ferdinand ganz schön durch die Botanik schickt. Zeit zum Träumen hab ich jedoch nicht. Es geht gegen 18 Uhr – endlich mal Zeit für ‘nen Apfel oder ein Stück Schokolade – langsam greifen die Kilometer. Einmal musste ich sogar ein Energy-Gel drücken, so fertig war ich. Kommt schonmal vor, wenn Termindruck herrscht, wir schneller als schnell fahren müssen und einmal mehr die Hausnummer nicht zu finden war und ich ewig schwitzend suchen musste.
Heute verabschiede ich mich gleich aus der Ferne beim Disponenten. Die übrigen Quittungen nehme ich übermorgen mit – da ist wieder „Grüner Tag“ und ein neuer Einsatz. Glücklich über getane körperliche Arbeit, selig ausgepowert zu sein und stolz aus eigener Kraft Dinge bewegt zu haben biege ich noch schnell zur Tanke ein. Das kühle Bier lasse ich mir in der Badewanne schmecken. Wunderbar.

Stefan Hilger (#476)

 

Neben Homeoffice und Homeschooling als Fahrradkurier durch Dresden preschen –
Ein Erfahrungsbericht

Die Pandemie zwingt zum Umdenken

Jetzt stecken wir schon fast ein Jahr in der Covid19-Pandemie und momentan wieder im verschärften Lockdown fest. Wie lange geht das noch so weiter?
Im normalen Leben würde ich jetzt mitten in der Buchungs-Hauptsaison für Abenteuer- und Erlebnisreisen bei meiner eigentlichen Berufung als Produktmanager bei DIAMIR-Erlebnisreisen stecken. Ich würde über ambitionierte Touren sinnieren oder Expeditionen in entlegene Winkel der Erde organisieren. Vor gut einem Jahr noch sind wir mit den Mountainbikes über den Pamir geradelt. Und jetzt? Tourismus, ob lokal oder weltweit, ist weitestgehend lahmgelegt und das zieht sich nun schon fast ein ganzes Jahr dahin. Der Alltag heute ist ein völlig anderer – bis wir Normalität wiedererlangen, wird noch ein gutes Stück Weg zu gehen und Durchhaltevermögen gefordert sein. Um nicht selbst auch noch eine mentale Krise zu bekommen, habe ich mich etwas in der Stadt nach alternativen Tätigkeiten umgeschaut. Ich musste etwas tun. Leerlauf und Abwarten passen nicht zu mir!

Radkurier bei ImNu – mehr als nur ein Nebenjob

Im Spätsommer heuerte ich beim ImNu Kurierkollektiv als Fahrer an. Schon immer konnte ich mir das als Nebentätigkeit vorstellen, doch hatte ich nie Zeit dafür übrig. Das Schöne an unserem Laden ist, dass alle Fahrer·innen in selbstständiger Position agieren und alle Entscheidung gemeinsam getroffen werden. Jeder hat quasi ab dem ersten Kilometer volle Verantwortung und volles Mitspracherecht, und jeder muss sich selbst um seine Organisation kümmern. Und wir machen das eigentlich nicht zum Geldverdienen – wir fahren aus reiner Passion zur Bewegung auf zwei Rädern und der Liebe zur Umwelt. Wir sind ein bunter Haufen aus allen möglichen Branchen. Ob Studierende, Grafikdesigner·innen, Lehrer·innen, Architekt·innen, Ingenieur·innen, wir alle teilen die gleiche Leidenschaft.

Aller Anfang ist schwer, logisch. Mir wurde sehr schnell bewusst, dass ich zwar schon ewig in Dresden wohne, aber noch längst nicht jede Ecke kenne, vor allem die Straßennamen nicht. Anfangs habe ich ganz schön viel Zeit mit Sucherei verplempert und auch manchmal ganz schön geschwitzt, um verlorene Zeit wieder rauszufahren. Mittlerweile bin ich routiniert und kann befreiter loslegen.

Mit dem Herbst kam der zweite Lockdown

Der Herbst kam unaufhaltsam näher. Meine ersten Regeneinsätze hatte ich hinter mir und Corona meldete sich im großen Stil zurück. Was über den Sommer schon fast in Vergessenheit geraten war, stand plötzlich wieder vor der Tür. Als Kurier·innen sind wir nicht unmittelbar vom Lockdown betroffen und dürfen weiter unserem Dienst nachgehen. Was insgesamt auch logisch ist, denn Kurier·innen werden jetzt mehr gebraucht denn je. Dennoch kamen wir nicht umhin uns, ob der Hygiene- und Abstandsvorschriften in zwei Teams („Gelb und Grün“) aufzuteilen. Die Straßen, Gassen und Einkaufsmeilen wurden wieder schlagartig leer und unsere Aufträge häuften sich.

Irgendein Tag in einer völlig verrückten Zeit

Die Pandemie hat entgegen vieler Darstellungen von gechillter Kurzarbeiter und Homeoffice unsere Aufstehzeit nicht wirklich verändert. Der Wecker klingelt pünktlich um 06:00 Uhr, heute ist wieder Kampftag.
Heute fährt Team grün – ich fahre für Team grün! Es fühlt sich gut an – ich bin fit. Aber zunächst wartet der nun fest eingeschliffene Alltag mit Homeoffice parallel zum Homeschooling, ab mittags dann Fahrradkurier. Ok, ich ordne gedanklich den Tag und teile wie folgt ein: 08:00 -12:00 Uhr versuche ich für DIAMIR das Nötigste von zu Hause zu bewerkstelligen. Vielleicht kann ich einige drückende Anfragen und E-Mails bis Mittag abarbeiten. Auf meine beiden Schulkinder Anusha und Janosch (10 und 12 Jahre) kann ich mich richtig gut verlassen. Dort läuft es mit den Hausaufgaben an sich ohne viel des Nachsteuerns. Darüber sind meine Frau, die zum Glück Vollzeit arbeitet, und ich sehr dankbar. Mit Pausen bleiben mir bis zum Mittag gute drei Stunden Arbeitszeit für meine Hauptberufung. So richtig große Dinge dafür anzufangen, fällt mir schwer – denn mit tickender Uhr im Rücken kann ich in kein Thema wirklich eintauchen und bin genervt. Auch fehlen mir wegen der tiefen Depression im Tourismus die zündende Inspiration bzw. die gewisse Idee für´s kreative Zusammenbauen von Reisen. Ein Blick nach draußen und auf´s Thermometer. Es ist nasskalt und ich habe heute noch vier bis fünf Stunden im Sattel abzureißen, je nach Auftragslage. Klamotten, Kurierutensilien und Notproviant für diesen Einsatz leg ich mir schon in der Pause zurecht. Ich möchte nichts dem Zufall überlassen und gut vorbereitet sein. Bei jedem Einsatz schwingt große Verantwortung mit.
Eine Stunde vor Dienstbeginn rufe ich in der Zentrale an, um anzufragen, wie sich heute die Auftragslage gestaltet. Insgeheim hoffe ich, dass mir Ferdinand (meine Disposition für heute) eine Langstrecke zurechtgelegt hat. Er weiß, dass ich gern in die Außenbezirke fahre.
Nebenbei koche ich ein schnelles Mittagessen für uns drei Heimarbeiter zusammen. Es muss heute was geben, was zügig und ohne großen Aufwand zubereitet ist. In Eile schlinge ich meine Portion hinunter. Der Nachmittag ist mit Anusha und Janosch besprochen – ich muss mich darauf verlassen können, dass alles klappt wenn ich unterwegs bin. Ein paar Stunden sind sie nun auf sich allein gestellt, aber der Fahrplan ist klar.

Im Einsatz

Wir Kuriere und Kurierinnen von ImNu transportieren viele medizinische Güter aus Praxen und Laboren. Heute kann ich gleich in der benachbarten Uniklinik mit dem Dienst beginnen und erste Abholungen vornehmen. Das Wetter scheint zu halten. Eine steife Brise liegt an – naja, geschenkt bekomme ich nichts. Als ich in die Pedale trete, atme ich befreit durch – endlich den Kopf mal so richtig durchlüften. Es läuft gut an – es herrscht keine Hektik, meine Runde scheint gut geplant. Ich kann es halbwegs genießen, wenngleich mich Ferdinand ganz schön durch die Botanik schickt. Zeit zum Träumen hab ich jedoch nicht. Es geht gegen 18 Uhr – endlich mal Zeit für ‘nen Apfel oder ein Stück Schokolade – langsam greifen die Kilometer. Einmal musste ich sogar ein Energy-Gel drücken, so fertig war ich. Kommt schonmal vor, wenn Termindruck herrscht, wir schneller als schnell fahren müssen und einmal mehr die Hausnummer nicht zu finden war und ich ewig schwitzend suchen musste.
Heute verabschiede ich mich gleich aus der Ferne beim Disponenten. Die übrigen Quittungen nehme ich übermorgen mit – da ist wieder „Grüner Tag“ und ein neuer Einsatz. Glücklich über getane körperliche Arbeit, selig ausgepowert zu sein und stolz aus eigener Kraft Dinge bewegt zu haben biege ich noch schnell zur Tanke ein. Das kühle Bier lasse ich mir in der Badewanne schmecken. Wunderbar.

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